C2 Interview: Neue Strukturen, neue Märkte – bewährte Expertise
Seit vergangenem Sommer sind die Olbrich GmbH, Bocholt, die Saueressig Group, Vreden, und die Marke Polytype Converting Teil der Matthews Industrial Technologies. Im Verbund mit der neuen Unternehmensmutter aus den USA haben sich die jeweiligen Geschäftsbereiche neu aufgestellt. C2 – Coating & Converting sprach mit Esa-Matti Aalto, Senior Vice President Commercial Coating & Converting, Matthews Engineering, Udo Saalmann, Senior Sales Manager Home & Decor, und Markus Pennekamp, Executive Vice President Matthews Engineering.
C2: Zuletzt haben wir uns im Spätsommer bei Olbrich in Bocholt gesehen. Was hat sich seitdem getan?
Esa-Matti Aalto: Seitdem haben wir die Integration mit großen Schritten vorangetrieben! Innerhalb der neuen Struktur haben wir zwei Kerngeschäftsbereiche: Neue Energien (Lithium-Ionen-Batterien, Hydrogen Fuel Cells und Photovoltaik, sowie Separatorfilme und Battery Wrapping) und Coating-Converting Industries als Bereich, der alle Kunden bei Olbrich, Saueressig und Polytype Converting umfasst, die nicht dem Neue-Energien-Segment zuzuordnen sind. Für diesen Bereich bin ich verantwortlich. Udo Saalmann verantwortet innerhalb der Coating Converting-Gruppe den Bereich „Home & Decor“, dazu kommt noch der Bereich „Packaging Industrial Applications“ (Self-Adhesives, Labels und Tapes, sowie Verpackungsanwendungen – einerseits mit Barrierebeschichtungen auf Papier, andererseits mit Kunststofffolien und komplexen Laminaten für Food Packaging und weitere Applikationen). Ich möchte auch noch die angrenzenden Bereiche erwähnen, die ebenfalls zum Portfolio der Gruppe gehören: Industrial Automation und Digitaldruck-Applikationen für die Logistik. Auch unser Service fungiert heute als eigene Business Unit. Hier ist übergreifend über alle Geschäftsbereiche ebenfalls eine neue Struktur im Aufbau.
C2: Ergänzend dazu wären die „Surfaces Solutions“ und „Rollers & After Sales Service“ zu nennen – quasi die Bereiche von Saueressig. Wie fügen sich diese Business Units in das Gesamtkonzept ein, wenn man bedenkt, dass Walzen ja teilweise auch für sich als Einzelprodukte stehen?
Udo Saalmann: Natürlich sind wir bei Saueressig im Engineering der „Stahlkernfertiger“ und Walzenbauer. Dabei erreichen wir zum Teil Output-Zahlen von über 800 Produkten pro Monat. Dazu gehören kleine Tiefdruckwalzen, aber auch sehr hochwertige und komplexe technische Walzen. Bereits in der Vergangenheit waren wir Walzenlieferant für Olbrich und haben Rasterwalzen, Prägewalzen und Heizkühlwalzen für das Unternehmen gefertigt. Jetzt, im Unternehmensverbund, können wir viel mehr aus einer Hand liefern – als One Stop Solution. Der Kunde soll wirklich nur einen Ansprechpartner haben, sodass wir die gesamte Linie von der Prägewalze über die Gravur bis zum Prägekalander, sowie Auf- und Abwickler schlüsselfertig anbieten können. Hier in Vreden bedienen wir den Bereich Surfaces – ergänzt durch den Standort in Mönchengladbach, wo die ehemalige Firma Ungricht, die schon vor einigen Jahren in Saueressig integriert wurde, 7.000-8.000 Prägewalzen pro Jahr produziert. Die Anwendungen sind hier äußerst vielseitig und umfassen u.a. Automobil, Hygiene, Flooring und Wall Covering.
Markus Pennekamp: Sie sehen: unser Ansatz ist es, das Beste aus beiden Welten zusammenzuführen. Wir kennen uns schon lange – es kommt sogar vor, dass unsere jeweiligen Anlagen bei einem bestimmten Kunden nur 30 m voneinander entfernt in derselben Produktionsstätte stehen. Dennoch hatten wir – man möchte „zum Glück“ sagen – in der Marktbearbeitung nicht so viele Überschneidungen. So ist es in den meisten Fällen relativ eindeutig zuzuordnen, wer welchen Kunden betreuen sollte. Neben den bereits angesprochenen enormen Chancen in den Neuen Energien sind auch unsere Möglichkeiten im Coating- und Converting-Bereich aus meiner Perspektive sehr groß. Gerade im Hinblick auf Nachhaltigkeit und die Wiederverwendbarkeit von Rohstoffen sehe ich viele Chancen für uns.
C2: Wie sieht ganz konkret Ihre Strategie für den Coating- und Converting-Bereich aus – auch im Hinblick auf die Kooperation mit Saueressig?
E.-M. Aalto: Uns ist es jetzt besonders wichtig, den Kunden auch persönlich nahe zu bringen, wie dieser Zusammenschluss unserer Firmen in der Realität funktioniert. Wir haben erstmals einen gemeinsamen Messestand auf der ICE Europe und können dort genau diese Expertise in den Fokus stellen. Momentan läuft es immer auf zwei Aspekte hinaus, die unsere Gesellschaft bewegen: der eine sind die Neuen Energien, der andere ist die Nachhaltigkeit. Genau diese Megatrends werden wir in den Fokus stellen, nicht nur in unserer Unternehmensstrategie, sondern eben auch auf der Messe in München. Im Hinblick auf diese Top-Themen sage ich: „The train has left the station“ – der Zug ist abgefahren und wir sind mit dabei. Dies äußert sich in einem enormen Zuspruch und vielen konkreten Aufträgen direkt aus der Industrie. An dieser Stelle möchte ich auch den Inflation Reduction Act in den USA erwähnen, der ganz gezielt die Energiewirtschaft ankurbeln soll. Natürlich braucht auch jede Batterie ein Label und eine Verpackung! Hier spielt uns der Zusammenschluss mit Matthews erneut sehr gut in die Karten: Wir können so europäische oder multinationale Konzerne sehr gut unterstützen, die jetzt auf ihrem Weg in die USA sind und dort Kapazitäten aufbauen. Amerika liegt im Trend – aber das bedeutet nicht, dass wir unsere Zelte in China oder Asien insgesamt abbrechen. Im Gegenteil: wir können heute viel globaler agieren und weltweite Trends bestens bedienen.
U. Saalmann: Im Nonwoven-Bereich betreuen wir einige spannende Hygiene-Anwendungen, bei denen ein 3D-Prägeverfahren zum Einsatz kommt. Hier finden Verformung und Perforierung gleichzeitig statt. Diese Lösung findet ihre Anwendung u.a. in der Damenhygiene, bei Windeln und auch bei Inkontinenzprodukten. Dieses Aggregat werden wir sowohl auf der ICE Europe als auch auf der Index in Genf ausstellen – live vor Ort, 120 cm breit und funktionstüchtig. Im Detail handelt es sich um einen sehr hochwertigen, gefrästen Walzensatz mit Patrize und Matrize, mit dem ein Spinnvlies unter Druck und Hitze entsprechend verformt wird. Wir werden dazu auch geprägte Muster zeigen können.
C2: Stichwort „Komplettanbieter“: Wie greifen Ihre jeweiligen Prozesse heute schon ineinander, und welche Routinen haben sich in den vergangenen Monaten etabliert?
U. Saalmann: Die Firma Saueressig stand ja eher für den „mittleren Teil“, sprich für den Kalander (z.B. Glätt- oder Prägekalander). Die Wickeltechnik stand für uns deutlich weniger im Fokus und wurde nur auf expliziten Kundenwunsch von uns geliefert. Jetzt, durch den Zusammenschluss mit Olbrich und Polytype Converting, haben sich für uns ganz andere Möglichkeiten eröffnet: Wir können z.B. Wendewickler oder Rollenschneider an der Aufwicklung komplett integrieren. So werden wir als Gesamtanbieter für den Endkunden noch interessanter! Hier wurden nicht nur Gespräche geführt, sondern es wurde bereits ein Wickler für uns bei Polytype Converting realisiert. Umgekehrt fungieren wir aber auch als Kalander-Hersteller für Polytype Converting.
E.-M. Aalto: Blicken wir noch etwas über den Tellerrand hinaus: Im Verbund der Matthews Gruppe bieten wir heute schon sehr viel und werden unseren Kunden in Zukunft noch viel mehr bieten können. Das reicht vom Basisprodukt – etwa Film und Folie – bis hin zur Repro. Das heißt, wir haben im Konzernverbund auch Möglichkeiten zur grafischen Gestaltung, bis ins Marketing hinein! Wir können den gesamten Service bieten: bis hin zur Verpackungslösung mitsamt Design ist in unserem Konzernverbund alles aus einer Hand erhältlich. Ja, wir stehen hier noch relativ am Anfang, aber bei unserem nächsten Interview werden wir hier sicherlich schon viel weiter sein. Unsere Kunden sind herzlich eingeladen, sich dieses Portfolio bereits auf der kommenden ICE Europe näher anzuschauen.
C2: Setzen Sie auch weiterhin auf die etablierten Markennamen Olbrich, Polytype Converting und Saueressig?
M. Pennekamp: Soweit wir das heute vorhersehen können, werden wir weiter darauf setzen. Sowohl bei uns, als auch im Mutterkonzern Matthews International, macht man sich viele Gedanken über das Branding. Gerade der Begriff Matthews Engineering soll eine größere Visibilität in unserem Konzern bekommen. Matthews International ist ein Unternehmen mit einem diversen Produktportfolio, das sich in drei Divisionen gliedert. Memorialization, SGK Brand Solutions und Industrial Technologies. Das Unternehmen bedient sehr viele Produktgruppen und Industriezweige, wird aber mitunter in den Medien immer noch gelegentlich als Hersteller von Särgen vorgestellt. Das klingt zugegeben etwas seltsam, wenn in der Zeitung steht, dass ein „Sarghersteller“ einen Auftrag in den Neuen Energien gewonnen hat, der einen Umfang von 200 Mio. US-Dollar aufweist … Die einzelnen Markennamen werden sicherlich nicht vom Markt verschwinden, obwohl es passieren könnte, dass sie künftig als Produktgruppen-Marken fungieren werden.
E.-M. Aalto: Es wird sicherlich ein übergeordnetes Branding geben. Ich möchte aber betonen: Kontinuität gehört zu unserer Service-Philosophie! Saueressig ist ja bereits seit über 15 Jahren im Konzernverbund und nach wie vor als starke Marke präsent. Möglicherweise setzt man in neu entstehenden Bereichen wie New Energies eher auf übergeordnete Markennamen, aber unsere angestammten Kunden können sich nach wie vor darauf verlassen, auch weiterhin von Olbrich, Polytype Converting und Saueressig bedient zu werden.
C2: Sprechen wir über Ihr weltweites Vertriebsnetz: Welche Schwerpunkte setzen Sie hier – und was hat sich verändert?
E.-M. Aalto: Aufgrund des Ukraine-Krieges ist momentan natürlich keinerlei Geschäftsaktivität mit Russland möglich. Durch die extrem gute Nachfrage im Decor-Bereich konnten wir diese Lücke schließen. Die multinationalen Konzerne, die sich aus Russland zurückziehen mussten, haben ihre Produktion teilweise nach Zentraleuropa und Nordamerika verlagert. Deshalb haben unsere Vertriebsaktivitäten aktuell einen Schwerpunkt auf die Regionen Kerneuropa und Nordamerika. Aber wir sehen auch gute Trends und Nachfragesituationen in Südamerika. Asien erholt sich momentan wieder, auch aufgrund der rückläufigen Covid-Zahlen in China. Grundsätzlich sind alle Vertriebsaktivitäten über unsere Netzwerke und die Vertreterstruktur wieder voll im Gange. Wir verfügen im gesamten Konzern über Engineering-Standorte, die wir jetzt auf mögliche Synergien untersuchen, um noch näher an die Kunden zu rücken.
M. Pennekamp: Natürlich kommt es uns auch entgegen, dass die zwei großen Standorte in Bocholt und Vreden so nahe beieinander liegen. Nichtsdestotrotz werden wir als globales Unternehmen wahrgenommen und positionieren uns entsprechend. Zum Beispiel sprechen sich unsere erfolgreichen Projekte im Batteriesektor in der Automobilbranche immer mehr herum, weshalb hier einige große Player – sowohl Autohersteller, als auch Batterieproduzenten – auf uns zukommen. Der Markt ist entsprechend groß – und wir wollen hier eine wichtige Rolle spielen!
E.-M. Aalto: Jüngst konnten wir in diesem Kontext den größten Auftragseingang der Unternehmensgeschichte verbuchen. Das Geschäft hat ein Gesamtvolumen von 200 Mio. US-Dollar.
C2: In diesem New Energies-Segment liegt der Hauptfokus auf Automotive. Wie sieht es mit kleineren Geräten aus – Stichwort Unterhaltungselektronik?
M. Pennekamp: Es geht insgesamt eher um das Thema Batteriespeicher! Elon Musk hat zum Beispiel gar nicht das primäre Ziel, Autos zu produzieren. Stattdessen will er Batteriespeicher in den Markt bringen. Die Technik wird über das Vehikel der Automobilbranche in den Markt gebracht. Die Energiewende geht aber weit über elektrifizierte Autos hinaus. Um Solarenergie optimal nutzen zu können, müsste auch in jedem Haushalt ein entsprechender Energiespeicher an der Wand hängen. Die Technologie im Bereich der Dry Battery Electrodes, die wir mitentwickelt haben, wird dazu führen, dass man mehr Batteriespeicher in einem bestimmten Volumen unterbringen kann. Effizientere und bessere Batterien sind unser erklärtes Ziel!
C2: Der Winter wurde – so kann man heute sagen – weniger herausfordernd als wir noch letzten Sommer befürchteten: Die Gasspeicher sind noch gut gefüllt, die Wirtschaftslage bleibt stabil. Was erwarten Sie für die kommenden Monate?
E.-M. Aalto: Wir sehen in den Neuen Energien weder eine Krise, noch eine Nachfragebremse. In den anderen Kernbereichen registrieren wir eine schwankende Nachfrage. Zum Glück sind unsere smarten Lösungen für mehr Energieeffizienz sehr stark nachgefragt – und diese Nachfrage können wir auch bedienen. Im Bereich der Energy Audits hat sich hier einiges getan. Der „harte Winter“ ist ausgeblieben – und es wird weiter produziert.
Unsere Kunden sind bestens gerüstet und ausgebildet, um sich den kommenden Herausforderungen zu stellen.
U. Saalmann: Ich kann die Aussagen von Esa aus unserer Sicht in Vreden nur bestätigen. Die Nachfrage ist vorhanden, die Projekte sind weiter aktiv. Ich kann von keiner Krise berichten – viele Kunden im Coating- und Converting-Bereich stehen momentan kurz davor, noch im ersten Quartal 2023 einen Auftrag zu platzieren.